Lieber EBV,
zuerst einmal Glückwünsche und ein großes „Weiter-so!“ bezüglich deiner kürzlichen Erfolge vom Auswanderer, der auf der anderen Seite auch ein wenig gekränkt ist, da es ohne ihn ja anscheinend ganz gut läuft. Spaß beiseite, die Freude überwiegt natürlich.
Auch wenn es der eine oder andere wahrscheinlich nur schwer glauben kann, bei uns hier unten ist der Alltag eingekehrt. Ja, sowas passiert auch manchmal einem Reisenden, wohl oder übel.
Aber es könnte natürlich schlimmer sein. Wir wohnen immer noch bei unserer altbekannten Trish am wunderschönen Baylys Beach, der uns vor Weihnachten auch nicht so schnell los wird, da wir uns über die Feiertage mit den beiden Strausberger Mädels ein nettes kleines Strandhaus gönnen werden, das wir für einen Freundschaftspreis von einer Österreicherin zur Verfügung gestellt bekommen. Neuseeland unterscheidet sich, was das betrifft, eher wenig von Deutschland, Vitamin B (eziehung) ist das A und O. Daher gehören wir im Dorf nun auch schon zu den „Locals“ („Ortsansässiger“ oder „Einheimischer“ gemäß dem Langenscheidt-Schulwörterbuch) und bezahlen im Pub 6$ anstelle der üblichen 6,50$ für ein Bier. Womit wir auch schon beim Geld verdienen wären.
Arbeitstechnisch geht es gut voran, sind nun schon 5 Wochen damit beschäftigt Kumaras zu schneiden, sortieren und zu säubern. Pflanzen dürfen nur erfahrene Leute, wobei das nichts anderes ist, als einen Stängel in die Erde stecken. Wir arbeiten uns aber doch schon langsam nach oben, indem wir jetzt ab und zu die Planen an den Kartoffelbeeten managen, was im Großen und Ganzen eigentlich nur bedeutet, dass wir Plastikplanen über Beete mit einer Reichweite von 1 km ziehen und wieder entfernen. Das kann bei Temperaturen bis zu 30°C manchmal ziemlich schweißtreibend sein, wodurch unser Verbrauch an Sonnencreme von Woche zu Woche steigt. Sonnenbrand als Volkskrankheit ist hier um diese Jahreszeit noch beängstigender als in Deutschland, und bei weitem gefährlicher, da die Sonnenintensität in Neuseeland 40% höher als europäisch gewohnt ist.
Wir können uns jedoch unbesorgt auf Weihnachten freuen, was dieses Jahr wahrscheinlich ein bisschen ungewohnt ausfallen wird. 30°C im Schatten, volle Strände und Shorts sind wohl alles andere als üblich für richtige Mittel-Europäer wie uns. Allerdings ist dies nicht das einzig Fremde, was wir dieses Jahr über die Feiertage erfahren werden, da die Kiwis etwas andere Traditionen und Bräuche verfolgen als wir.
Das beginnt eigentlich schon am für uns selbst verständlichen Heilig Abend. Am 24th ist hier nix mit Geschenke auspacken, es gibt nur 2 Optionen, entweder Kirche oder Kneipe…für die ganz Harten natürlich auch beides, solange man nicht kombiniert oder womöglich verwechselt.
0 Uhr erfolgt eine Art Weihnachtsmesse, die in den Städtchen und Örtchen immer großen Andrang findet. Santa Claas bringt dann in der Nacht heimlich die Geschenke und zaubert den Kindern am Morgen des 25th somit ein breites Lächeln ins Gesicht. Die Spannung steigt zunehmend, da es den Kleinen meist nicht erlaubt ist, die Kartons und Schachteln vor dem großen „Christmas-Dinner“ zu öffnen.
Dieses besteht oftmals aus Schinken, Truthahn oder Hühnchen, gerne auch kalt, da um diese Jahreszeit eigentlich so gut wie keiner gewillt ist, sich stundenlang in die Küche zu stellen…nachvollziehbar. Als Nachtisch gibt es dann den traditionellen Pudding, der entsprechend mit Geldmünzen gefüllt ist und somit nicht nur gut für die Rettungsringe im Bauchbereich, sondern auch für die Geldbörse ist. Ansonsten sind die Weihnachtsfeiertage wie üblich Familientage, wobei dieses ja eher international als länderspezifisch ist.
Es wird viel Zeit am Strand in den eigenen Ferienhütten (genannt: „Bech“) verbracht. Man fischt, treibt Sport und hat allgemein zusammen Spaß. Allerdings ist auch zu erwähnen, dass sich die verschiedenen Bräuche und Traditionen mit zunehmenden Alter der Kinder auflockern…also doch gar nicht so fremd für uns.
Wir versuchen durch selbstgebackenes Brot, ein bisschen Weihnachtsschmuck und Kartoffelsalat zumindest ansatzweise ein kleines Stück Heimat nach Neuseeland zu holen. Das Rugby-Fieber ist nun nach der ganzen Aufregung langsamaber sicher auch am Abklingenen und man sieht immer seltener den „Silverfern“ (Nationalsymbol Neuseelands) an den Autos und Balkonen.
Wir haben natürlich unser Bestes gegeben, das viel versprechende Finale zwischen Frankreich und den „All Blacks“ und dem damit verbundenen glorreichen Sieg des neuseeländischen Nationalteams, so live wie möglich, mitzuerleben. In den Eden-Park Auckland, wo das Spiel stattfand, zu kommen war natürlich ausgeschlossen, allein schon finanziell bedingt.
Aber nach Auckland, der territorial 4.größten Stadt der Welt zu fahren, das war durchaus möglich. Also machten wir uns an diesem besagten Samstag morgens um 6.00 Uhr auf den Weg und erlebten ein unvergessliches Wochenende mit tausenden von Leuten, Nationen, Attraktionen und natürlich einem atemberaubenden Rugby-Spiel, das nur knapp mit einem Punkt Unterschied zu Gunsten des Favoriten ausging…kurz gesagt, ganz Neuseeland am Beben.
Die Wochenenden danach verliefen im Vergleich eher ruhiger und entspannter. Wir verbrachten die Zeit mit Fischen, Wandern, Baden und Sport treiben. So werden wir nun noch einige Sams- und Sonntage verleben, bis es für uns dann Silvester nach Gisborne zum „Rhythm and Vines“-Festival geht, wo zelebriert wird, dass man die Sonne als erstes im neuen Jahr betrachten darf, da Gisborne den östlichsten Punkt Neuseelands darstellt. Im nächsten Jahr wird dann die Südinsel angesteuert, wo die Arbeits- und Abenteuersuche erneut beginnt…
Um euch nicht nur was zum Lesen zu bieten und das Visuelle nicht zu kurz kommen zu lassen, habe ich natürlich wieder ein paar Bilder fürs Auge mit angehangen, die unter anderem meine erfolgreiche Opossumjagd, Meerbaden im November, den Gipfel des Maunganui-Bluff, gelungene Brotbackversuche und Finalbilder in Auckland zeigen…
Ich denke, dass reicht dann für 2011 von meiner Seite und verbleibe bis hierhin mit freundlichen Grüßen, viel Glück für die nächsten Spiele und einem guten Rutsch…
Euer Kiwi-Paule
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